Phantasiereisen – geführte Imagination

Entstehung

Die Wurzeln der Phantasiereisen reichen bis in alte schamanische und meditative Traditionen, in denen Geschichten, innere Bilder und Trancezustände genutzt wurden, um Heilung und Erkenntnis zu fördern. In der modernen westlichen Entspannungspädagogik haben sich Phantasiereisen vor allem seit den 1970er‑Jahren etabliert. Impulse kamen aus der Hypnotherapie (Milton Erickson), der Gestalt‑ und humanistischen Psychologie sowie aus Verfahren wie dem Autogenen Training, wo formelhafte Vorsatzbildungen bereits mit bildhaften Vorstellungen verknüpft werden. Heute sind Phantasiereisen ein fester Bestandteil in der Stressprävention, der Psychotherapie, im pädagogischen Kontext und in Wellness‑Angeboten.

Wirkungsweise

Phantasiereisen nutzen die natürliche Fähigkeit des Gehirns, innere Bilder zu erzeugen. Während die Klientin / der Klient (meist liegend oder bequem sitzend) einer beruhigenden Stimme folgt, entsteht ein Tagtraum‑ähnlicher Zustand zwischen Wachheit und leichter Trance:

  1. Aufmerksamkeitslenkung – Externe Reize treten in den Hintergrund; der Fokus liegt auf der erzählten Geschichte.
  2. Visuelle und multisensorische Imagination – Aktiviert dieselben Hirnregionen wie reale Sinneseindrücke: Das limbische System reguliert Emotionen, das vegetative Nervensystem schaltet auf Entspannung (Parasympathikus).
  3. Kognitive Neubewertung – In der Fantasiewelt können belastende Situationen symbolisch verändert, Ressourcen verstärkt und kreative Lösungen gefunden werden.
  4. Körperliche Resonanz – Pulsschlag, Atmung und Muskeltonus sinken; Stresshormone reduzieren sich, während Wohlfühl‑Neurotransmitter (z. B. Serotonin) steigen.

Regelmäßige Praxis schult die Fähigkeit, schnell in diesen gelösten Zustand zu wechseln – ähnlich wie bei Autogenem Training oder Meditation – und steigert langfristig Stressresistenz, Selbstwirksamkeit und inneres Gleichgewicht.

Anwendungsgebiete

BereichTypische ZieleBeispielhafte Themen
Stress‑ & Burnout‑PräventionAbschalten, Tiefenentspannung„Strand bei Sonnenuntergang“, „Schwebende Wolke“
PsychotherapieAngst‑ und Traumabearbeitung, Selbstwert stärken„Schutzraumreise“, „Innere Kraftquelle“
SchmerzbewältigungSchmerzerleben modulieren, Körpervertrauen„Wärmender Lichtstrom“, „Schmelzende Eisscholle“
Pädagogik & LernförderungKonzentration, Kreativität, Prüfungsangst abbauen„Gedankenbibliothek“, „Flug über eine Fantasiestadt“
SchlafhygieneEinschlafritual, nächtliches Grübeln stoppen„Sternennacht“, „Wald der Ruhe“
Wellness & Persönlichkeits­entwicklungSelbstreflexion, Visionen entwickeln„Lebensweg‑Meditation“, „Zukunftsfilm“

Anwendungsweisen

  • Geführte Audios (Apps, CDs, Streaming) – Ideal für den Einstieg; Länge 10 – 30 Minuten.

  • Live‑Anleitung in Kursen – Trainer*in passt Tempo, Bilder und Stimme individuell an die Gruppe an; oft kombiniert mit Autogenem Training oder Achtsamkeitsübungen.

  • Selbstgeleitete Kurzreisen – Nach etwas Erfahrung können Schlüsselwörter („Lieblingsort“, „Kraftbaum“) reichen, um spontan innere Bilder aufzurufen.

  • Kombination mit Aromatherapie – Passende Düfte (z. B. Lavendel für Ruhe, Zitrone für Klarheit) vertiefen das multisensorische Erleben.

  • Schreib‑Phantasiereise – Nach der Imagination notiert man Eindrücke oder malt sie aus; unterstützt Integration und persönliches Wachstum.

Tipps für sicheres Üben

  • Ruhige Umgebung wählen, Telefon ausschalten.
  • Bequeme Position, eventuell Decke / Augenkissen.
  • Bei psychischen Erkrankungen vorher Rücksprache mit Therapeut*in halten.
  • Nach der Reise Zeit zum Nachspüren und langsamen Aufstehen einplanen (‚Rücknahme‘).

Was heisst das für Dich?

Phantasiereisen ergänzen hervorragend andere Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Achtsamkeit, Meditation und Aromatherapie. Gemeinsam schaffen sie einen ganzheitlichen Rahmen, in dem Körper, Geist und Emotionen gleichermaßen zur Ruhe kommen und neue Kräfte schöpfen können.